Kennen Sie das Thomas-Kilmann-Modell? Das Modell zeigt anschaulich, welche Wahlen wir zumeist unbewusst in Konfliktsituationen treffen und welche Vor- und Nachteile sich aus diesen unterschiedlichen Konfliktlösungsstrategien ergeben. Wer sich mit Hilfe des Modells seine Optionen verdeutlicht, kann souveräner entscheiden, welcher Weg zielführender ist.
Die Konfliktforscher Kenneth W. Thomas and Ralph H. Kilmann nutzen für ihr Modell eine Matrix mit zwei Achsen. Die erste Achse steht für den Grad der Orientierung einer Lösung an den eigenen Interessen, die zweite Achse für den Grad der Orientierung an den Interessen des Konfliktpartners. Aus der Kombination beider Orientierungen ergeben sich fünf markante Konfliktlösungsstile.
Der erste Konfliktlösungsstil ist das Vermeiden, das sich weder für die Selbstbehauptung noch für das Nachgeben entscheidet. Sowohl die eigenen Interessen als auch die Interessen des Konfliktpartners werden nicht aktiv vertreten. Dieses Verhalten spart Energie und vermeidet den bei Konflikten üblichen Stress. Letztendlich führt es aber dazu, dass beide Konfliktparteien vor allem verlieren.
Der zweite Stil orientiert sich vor allem an der Achse der Selbstbehauptung. Die eigenen Interessen werden durchgesetzt und die des anderen übergangen. Die langfristigen sozialen Folgen dieses Verhaltens liegen auf der Hand. Das Gegenmodell des dritten Stils ist das Nachgeben und Aufgeben der eigenen Interessen. Nachgeben erhält oft die Harmonie in sozialen Beziehungen. Es führt aber auf lange Sicht zu einem Ungleichgewicht zwischen den Konfliktpartnern. Denn der Nachgebende begibt sich Schritt für Schritt in die Rolle des Opfers.
Der vierte Konfliktstil ist die in unserer Kultur tief verankerte Suche nach dem Kompromiss. Der Kompromiss versteht sich als Mittelweg zwischen den beiden Extremen der Orientierung ausschließlich an sich oder am anderen. Beide Konfliktparteien gehen aufeinander zu und vereinbaren eine Lösung. Bei dieser Lösung können sie beide gewinnen, aber bis zu einem gewissen Maße auch verlieren. Der Kompromiss ist pragmatisch und sorgt für unmittelbaren Frieden. Doch es bleibt ein leichtes Ungenügen.
Der fünfte Konfliktstil orientiert sich dagegen am Win-Win-Prinzip, der Idee, dass beide Seite gewinnen können. Um einen Konsens zu erzielen, ist es erforderlich, dass die Konfliktpartner die Prinzipien der beiden Achsen überschreiten und eine neue Sicht auf ihren gemeinsamen Konflikt einnehmen. Aus dieser übergeordneten Warte können ganz neuartige Lösungsansätze entstehen. Ein solcher Weg ist oft zeitaufwändig, aber ausgesprochen nachhaltig, weil es keine Opfer gibt.
Je nach Situation und Kontext kann ganz offensichtlich jeder Stil eine gute Lösung sein. Entscheidend ist jedoch, die eigenen Optionen zu erkennen und Wahlen im Konflikt bewusst abzuwägen. Methoden wie die Mediation zeigen übrigens, dass der Konsens viel leichter zu erzielen ist, als wir in unserer an Durchsetzung oder Kompromiss orientierten Gesellschaft glauben. Da keine andere Lösung nachhaltiger ist, lohnt es sich, nach einvernehmlichen Wegen zu streben.