Was ist positive Sprache? Und wieso empfiehlt es sich, bevorzugt positive Formulierungen zu wählen? Wo doch scheinbar jeder versteht, was gemeint ist, auch wenn die Formulierung negativ ausfällt. Warum die Mühe investieren, für alles einen positiven Ausdruck zu finden?
Zunächst zur Definition: Positive Sprache drückt aus, was vom Sprecher gemeint und gewollt ist. Sie verzichtet weitgehend auf die Wörter „nicht“ und findet auch für die sogenannten „Un“-Wörter wie zum Beispiel das Wort „Unabhängigkeit“ positive Formulierungen: „Ich will nicht, dass Du Dich in meine Entscheidungen einmischt, denn ich will unabhängig leben“ wird dann vielleicht zur positiven Wunsch-Formulierung „Ich möchte selbst über mein Leben entscheiden und den Wert Freiheit genießen“.
Laufen, so könnten Skeptiker fragen, beide Formulierungen nicht auf das Gleiche hinaus? Ist der Ausdruck dessen, was man sich nicht mehr wünscht, vielleicht sogar klarer als die zweite Variante? Verschiedene Deutungen dazu sind möglich. Aber ganz offensichtlich bezieht sich die Klarheit der negativen Formulierung vor allem auf das, was ein anderer unterlassen soll. Was der Sprecher selbst leben möchte und worin der ansgestrebte Zustand besteht, wird in der zweiten Formulierung um einiges deutlicher auf den Punkt gebracht.
Hier zeigt sich, dass positive Sprache die Eigenverantwortlichkeit stärkt, indem sie einen Ausdruck für die eigenen Wünsche, Absichten und Ziele findet. Wer klar vor Augen hat, was er sich wünscht, kann konkrete Bitten an andere richten, ohne Verantwortung an diese zu verschieben. Denn die meisten Menschen respektieren gerne die Entscheidungen anderer, lassen sich aber nur ungern „Einmischung“ vorwerfen und auch noch verbieten.
Ein weiterer Nutzen der positiven Formulierungen ist ihre größere „Gehirnkompatibilität“. Unser Gehirn verarbeitet Bilder, Gefühle, Gerüche und Geschmäcker sowie Klänge und natürlich Sprache. Insofern darf es als Mythos gelten, dass unser Gehirn nicht in der Lage sei, „nicht“ zu verstehen. Doch Sprache ist ungleich abstrakter und umwegiger als die Bilder, die wir innerlich durch unseren Sprachausdruck aktivieren.
So wird der Ausdruck „Freiheit“ von Bildern zum Freisein untermalt, der Ausdruck „Un-Abhängigkeit“ dagegen meist von inneren Bildern zur Abhängigkeit. Denn welche Bildern könnte unser visueller Sinn für „Unabhängigkeit“ finden? Eine negative Sprache bewirkt daher oft genau das, was sie eigentlich vermeiden will. „Falle nicht die Treppe herunter“ und „denke nicht an rosa Elefanten“ sind bekannte Bespiele für diesen Effekt.
Positive Sprache führt daher zu mehr Eigenverantwortlichkeit, Zielklarheit und einem wirkungsvollerem Umgang mit den eigenen mentalen Ressourcen. So wissen unsere Mitmenschen, was uns wichtig ist und was genau wir uns von ihnen wünschen. Nicht immer werden wir auf einen gemeinsamen Nenner kommen, doch auf der Grundlage positiver Formulierungen können wir unsere Wünsche leichter gegenseitig respektieren.