Was macht Ziele wohlgeformt?

Wohlgeformte Ziele haben es schwer. Selbst bei einigen NLP-Anwendern stehen immer noch die sogenannten s.m.a.r.t.e.n Zielregeln hoch im Kurs, obgleich die wohlgeformten Ziele ungleich wirkmächtiger sind. Liegt das vielleicht am weniger smarten Namen? Oder daran, dass Wohlgeformtheit ein systemischen Verständnis voraussetzt?

Denn wohlgeformt heißen Ziele erst dann, wenn alle Teile der Persönlichkeit mit der Zielrichtung einverstanden sind und eine innere Blockade mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Ein wohlgeformtes Ziel durchläuft daher mehrere Prüfprozesse. Die erste Prüfung ist sprachlicher Natur. Ein gut formuliertes Ziel sollte gehirngerecht und selbstgesteuert formuliert sein sein.

Die grammatikalische Faustformel dafür lautet: Erste Person Präsens, Indikativ, aktiv. Denn mögliche Ziele in Konjunktivform oder Ziele in der Zukunft („Ich werde sportlich …“) ermuntern zum Aufschieben. Und passiv formulierte Ziele („Ich werde geliebt …“) sind, weil andere agieren sollen, keine echten Ziele, sondern Wünsche oder Mantren. Wohlgeformte Ziele sind im Gegensatz zu S.M.A.R.T. auch nicht spezifisch, sondern – was viele zunächst verwundert – so global wie möglich formuliert.

Denn mit weit abgesteckten bzw. großchunkigen Zielen erhält das Unbewusste Anreize, die bewusste Zielidee in weitere Lebensbereiche zu transportieren. So werden Entwicklungen angeregt, die oft über die Ursprungsidee des Ziels weit hinausgehen. Das spezifische Ziel „Ich bin ruhig und gelassen im Umgang mit Schülern“ beispielsweise darf sich so unbewusst verallgemeinern zu der Idee „Ich bin ruhig und gelassen„, ein Zustand, der in jeder Lebenssituation willkommen ist. S.M.A.R.T.e Ziele dagegen tendieren dazu, lediglich To-Do´s auf den Punkt zu bringen.

Eine weitere Wohlgeformtheits-Prüfung bezieht sich auf die Erreichbarkeit des Vorhabens. Bei S.M.A.R.T. wird gefragt, ob ein Vorhaben realistisch sei. Mit Realismus aber wäre die erste Reise auf den Mond oder das Fliegen mit Überschallgewindigkeit wohl gleich zu Beginn zum Scheitern verurteilt gewesen. Denn der Test auf Realismus besteht immer in einem Blick in den Rückspiegel. Vielmehr empfiehlt sich eine sorgfältige Prüfung, ob das Unterfangen aus eigener Kraft unternommen werden kann, ganz egal wie gewagt.

Ein weiterer zentraler Check ist die Frage danach, ob das angestrebte Ziel dem eigenen höchsten Wert dienlich ist oder ihn vielleicht ja sogar konterkariert. Bei S.M.A.R.T. bleibt dieser Punkt unberücksichtigt. Wer als höchsten Wert Bequemlichkeit leben möchte, sich aber, vielleicht auch aus gesellschaftlichen Gründen, für das Ziel dynamische Sportlichkeit entscheidet, fühlt sich in der Regel auf dem Zielweg blockiert. Denn höchster Wert und Ziel passen nicht immer zusammen.

Der Wertecheck hängt auch eng mit der nächsten Wohlgeformtheits-Prüfung zusammen. Diese fragt nach dem Verhältnis von Nutzen bzw. Gewinn eines Ziels im Vergleich zum Preis bzw. den Kosten. Sind die Kosten für die Zielerreichung zu hoch, fehlt naturgemäß die innere Motivationskraft für den Zielweg. Weil eben Öko-Checks in S.M.A.R.T. ganz unterbleiben, werden oft Ziele in Angriff genommen, die mit reizvollen Ergebnissen locken, aber durch hohe persönliche Kosten nie richtig Fahrt aufnehmen. So manche Sportlerkarriere ist so schon in der Startphase ihrem Ende entgegengegangen.

Der Öko-Check erkundet auch, welchen (vielleicht ja bislang verborgenen) Nutzen das alte Verhalten beeinhaltet hat. Wer sportlich werden möchte, bemerkt bei diesem Test zum Beispiel, dass in der inneren Ökololgie das Familieleben ausgesprochen wichtig ist und dass das gemeinsame Couching dem Sport nicht einfach untergeordnet werden darf. Mit der neuen Werte-Klarheit fällt es jedoch in den meisten Fällen leicht, eine Lösung zur Befriedigung beider Aspekte zu finden.

Zum Abschluss noch zu den Aspekten Timing und Messbarkeit, die bei der S.M.A.R.T-Formel eine wichtige Rolle spielen. Bei spezifischen To-Do´s bietet es sich an, Kontrollkriterien für ihr Erreichen einzuführen. Doch bei den umfassenden Zielen nach Wohlgeformtheitskriterien passen ein exaktes Timing und objektive Messbarkeit in der Regel nicht. Denn wie soll der Punkt erfasst werden, ab dem zum Beispiel jemand „ruhig und gelassen“ durch das Leben gehen wird? Und wie sollten die entsprechenden objektiven Messkriterien lauten?

Bei wohlgeformten NLP-Ziele aber bietet sich zur Messbarkeit ein anderer Weg an, nämlich das Herausarbeiten der spezifischen Sinneskriterien, die bei der Zielerreichung erlebt werden wollen. So kann Sportlichkeit zum Beispiel von einem energetischen und flexiblen Körpergefühl begleitet werden, oder Ruhe und Gelassenheit von einem inneren harmonischen Klang. Selbstverständnlich sind Sinneskriterien sehr subjektiv, doch das gilt auch für das gewählte Ziel.

Und damit ist der wesentliche Unterschied zwischen Wohlgeformtheit und S.M.A.R.T. auf den Punkt gebracht. Wohlgeformte Ziele dienen der eigenen Persönlichkeit, während s.m.a.r.t.e Ziele ihre Nützlichkeit vor allem im Miteinander erweisen.