Die Natur modellieren

NLP-Anwender kennen das Konzept des Modellierens. Denn NLP selbst ist ein Modell, entstanden durch das Modellieren herausragender Kommunikations-Qualitäten exzellenter Psychotherapeuten. Im Unterschied zum Vorbildlernen werden beim Modellieren nicht alle Merkmale, sondern nur die entscheidenden Wirkfaktoren für einen bestimmten Kontext wie zum Beispiel die Kommunikation übernommen. Was aber bedeutet es, die Natur zu modellieren?

Ein Beispiel dafür liefert die Bionik (als Wort zusammengesetzt aus Biologie und Technik), ein interdisziplinäres Forschungsgebiet von Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und Designern. Der Bionik liegt die Idee zugrundliegt, dass die Natur bewährte Strukturen und Prozesse hervorgebracht hat, die für Menschen auch in anderen Systemzusammenhängen nützlich sein können. Der Klettverschluss, der die Eigenschaften einer Klette modelliert, ist ein einfaches Beispiel dafür.

Doch welche Rolle kann die Natur als Modell im Coaching spielen? Das hängt selbstverständlich ganz von der eigenen Fragestellung und Sicht auf die Natur ab. Die Natur ist beispielsweise Expertin für Wandel und Balance zugleich. Sie passt sich dem Tag- und Nachtwechsel, dem Jahreszeitenwechsel und auch langfristigeren Veränderungsprozessen wie klimatischen Veränderungen flexibel an. Dabei beweist sie ihre erstaunliche Regenerationsfähigkeit, verbunden mit dem Vermögen, Extreme über die Zeit wieder in eine gute Balance zu bringen.

Die Natur ist auch ein Modell für die (Selbst-)Führungsfähigkeit von Einzelnen und Teams, wie der Physiker Dirk Brockmann in seinem Buch Im Wald vor lauter Bäumen zeigt. Unter dem Motto „Was die Loveparade mit Staren, Heringen und Wanderameisen verbindet“, zieht er Parallelen im kollektiven Verhalten dieser unterschiedlichen Systeme. Selbstorganisatorische Ordnung, so seine Lehre aus der Beobachtung der Natur, beruht auf der Interaktion und Angleichung kleinster Einheiten, die dann wiederum auf ihr Umfeld wirken, ganz ohne dass ein „Leittier“ die Richtung vorgibt.

Auch für gute Kommunikation ist die Natur ein Beispiel: In seinem Buch Das geheime Leben der Bäume beschreibt der Förster Peter Wohlleben, wie Bäume miteinander in Verbindung stehen und kommunizieren. Sie übermitteln ihre Nachrichten geruchlich, optisch, elektrisch und auch akustisch. Vermittelt durch Pilze, sind sie in der Lage, ganze Wälder zu vernetzen und Nachrichten über Insekten, Dürren und weitere Gefahren zu transportieren. Denn wie Menschen sind sie soziale Lebewesen, deren (Über-)Leben von einem guten Miteinander abhängt.

Wer mit wachen Augen die Natur beobachtet oder von einem Coach dazu angeleitet wird, dem steht ein reicher Schatz an modellierungswürdigen Qualitäten zur Verfügung. Neben dem flexiblen Umgang mit Wandel und Herausforderungen, der Kunst der (Selbst-)Führung und der guten Kommunikation bietet die Natur unendlich viele Analogien für einen ganzheitlichen Umgang mit menschlichen Themen. Und das Wunderbare am Modellieren ist, dass ich selbst kein Baum sein muss, um mich gut zu erden und meine Wurzeln zu spüren.